Carl Peters (1856 – 1918) – Ehrgeiziger Kolonialist, der wegen Greueltaten unehrenhaft entlassen wurde (2024)

Einerseits wollte ich draußen ,um mich fressen wie ein Wolf’, den eigentlichen Block von Ostafrika für Deutschland gewinnen. (…) Auf der anderen Seite galt es hierzu das nötige Kapital zu finden.“

Carl Peters wurde in Neuhaus an der Elbe als Pfarrerssohn geboren. Er studierte Geografie und Geschichte für das Lehramt. 1881 zog er zu einem wohlhabenden Onkel in London. Dort begeisterte er sich für die britische Weltmachtpolitik und studierte die Kolonialliteratur. Mit dem Erbe des Onkels kehrte er 1883 nach Deutschland zurück, um „in die deutsche Kolonialbewegung einzugreifen“. Für ihn war es „der weltgeschichtliche Augenblick, wo Deutschland Afrika für sich nehmen konnte“, wie er 1906 ausführte. Dabei verstand sich Carl Peters als Kolonialpolitiker, der die entscheidenden Weichen stellt und in der Lage ist, Großes zu erreichen. Kooperation war seine Sache nicht, ebensowenig die Rücksichtnahme auf Menschen oder lokale Gegebenheiten.

1884 machte sich Peters mit seiner neu gegründeten „Gesellschaft für deutsche Kolonisation“ und einigen Gleichgesinnten auf nach Ostafrika, das für die Gründung einer Kolonie geeignet schien. Eine Reihe von Expeditionen wurde durchgeführt mit dem Ziel, Land zu besetzen und Verträge mit Einheimischen abzuschließen. Damit sollte der deutschen Regierung eine Grundlage für Verhandlungen mit anderen europäischen Mächten und die Gründung einer deutschen Kolonie geboten werden. Die Verträge kamen mithilfe von Geschenken, Alkohol und Überrumpelung zustande. Zunächst verweigerte Bismarck die Unterstützung und bezeichnete die vorgelegten Verträge als „ein Stück Papier mit Neger-Kreuzen drunter“. Britische Interessen wurden befürchtet und es war nicht klar, wie seriös das Unternehmen war. Peters drängte und bauschte die Interessen des belgischen Königs an Ostafrika auf. Er erreichte, dass die von ihm besetzten Gebiete 1885 als deutsche Kolonie anerkannt und unter den Schutz des Kaiserreichs gestellt wurden. 1886 folgte ein deutsch-britisches Abkommen.

Auf der Suche nach Geldgebern begab sich Peters auf Werbereisen durch Deutschland. Am 20. Mai 1886 sprach er in Mannheim und gewann auch hier Unterstützer. Ferdinand Scipio, Karl Eckhard, Karl Joerger und Karl Reiß sowie Dr. August Clemm aus Ludwigshafen waren im Februar 1887 Gründungsmitglieder der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft (DOAG), in welche die bisherige Kommanditgesellschaft überführt wurde. Schließlich sicherte der deutsche Kaiser eine namhafte finanzielle Beteiligung zu, woraufhin Carl Peters zahlreiche weitere Geldgeber gewinnen und eine Aktiengesellschaft gründen konnte. Die Einlagen aller Aktionäre beliefen sich auf mehr als 3,5 Millionen Mark. Carl Peters war der erste Präsident der Gesellschaft.

Die DOAG dehnte ihre Gebietsansprüche entlang der Küste und im Hinterland aus. Dabei geriet die Gesellschaft in Konflikt mit dem Sultan der Insel Sansibar. Fünf deutsche Kriegsschiffe bewegten den Sultan, die deutschen Festlandsbesitzungen anzuerkennen und Zollvereinbarungen abzuschließen. Ein Aufstand der Küstenbevölkerung1888 zwang jedoch die DOAG zur Aufgabe ihrer Niederlassungen und zum Hilferuf an die Reichsregierung. Bismarck entsandte Hermann von Wissmann zur Aufstandsbekämpfung nach Ostafrika, der eine Truppe aus deutschen Offizieren und Söldnern aus Ägypten und Mozambique zusammenstellte. Unterstützt durch eine deutsch-englische Seeblockade gelang es der „Wissmanntruppe“, die Aufstandsbewegung niederzuschlagen. Mehrere Tausend Menschen wurden dabei getötet.

Carl Peters erlebte dies nicht vor Ort. Er hatte sich 1889 ohne Zustimmung der deutschen Regierung auf die „Deutsche Emin-Pascha-Expedition“ durch Kenia bis nach Uganda begeben, um dem deutschen Kolonialreich weitere Provinzen anzugliedern. Durch den deutsch-britischen Helgoland-Sansibar-Vertrag liefen diese Bestrebungen ebenso wie die von Peters avisierte „Einverleibung“ Sansibars jedoch ins Leere.

Peters empfand dieses Abkommen „wie ein{en} Fausthieb“.Er gründete zusammen mit weiteren Rechtsnationalen den Alldeutschen Verband, der das weltpolitische Gewicht des nationalistischen Deutschlands stärken sollte.

Das Reich übernahm 1890 die gesamte Verwaltung der Kolonie und beschränkte die DOAG auf wirtschaftliche Tätigkeiten. 1891 wurde eine staatliche „Schutztruppe“ aufgestellt, die den Herrschaftsanspruch militärisch durchsetzte. Peters wurde nicht in die Kolonialverwaltung eingebunden, aber 1891 zum Reichskommissar für das Kilimanjarogebiet an der Grenze zum britischen Ostafrika (Kenia) ernannt.

Peters zeichnete sich durch besondere Grausamkeit und Willkür gegenüber den Einheimischen aus, in der Überzeugung, „dass diesen Völkern nur die männliche Energie und, gegebenen Falles, rücksichtslose Gewalt imponiert“ (1906). Sein brutales Vorgehen kostete Peters schließlich das Amt. Als er entdeckte, dass seine Konkubine Jagodia ein Verhältnis mit seinem Diener hatte, ließ er beide öffentlich aufhängen und ihre Heimatdörfer niederbrennen. Dies führte zu bewaffneter Gegenwehr der Chagga (Bewohner des Kilimanjarogebiets), die über Monate brutal niedergeschlagen wurde. Durch Augenzeugenberichte eines britischen Missionars gelangten Informationen darüber nach Deutschland. Peters wurde deshalb 1892 nach Deutschland zurückbeordert, wo man ihn von 1893 bis 1895 im Kolonialministerium beschäftigte, während gegen ihn Ermittlungen liefen. Im Reichstag griff August Bebel die Kolonialpolitik insgesamt und die Aktivitäten des Reichskommissars an. 1897 wurde Peters aus dem Reichsdienst unter Verlust seines Titels und seiner Pensionsansprüche unehrenhaft entlassen. Er zog es vor, nach London umzuziehen. 1905 verlieh ihm jedoch Kaiser Wilhelm II. den Titel eines „Reichskommissars a.D.“, und ab 1914 erhielt er auch eine jährliche Pension.

In der NS-Zeit wurde Peters als heldenhafter Kolonialpionier gefeiert. Straßen wurden nach ihm benannt, eine Reihe von beschönigenden, geschichtsverfälschenden Romanen und Propagandaschriften erschien. 1941 wurde ein Propagandafilm mit dem Titel „Carl Peters“ mit Hans Albers in der Hauptrolle gedreht.

Gertrud Rettenmaier

Literatur:

Dr. Carl Peters, Die Gründung von Deutsch-Ostafrika. Kolonialpolitische Erinnerungen und Betrachtungen, Berlin 1906

Dr. Sebastian Parzer: Der Mannheimer Kaufmann Ferdinand Scipio (1837-1905) – Gutsbesitzer, Bankengründer, Politiker und Kolonialunternehmer in: Hermann Wiegand/Hiram Kümper/Jörg Kreutz (Hrsg.), Reformation – Aufklärung – Revolution – Emanzipation – Beiträge zur Kultur-, politischen Ideen- und südwestdeutschen Landesgeschichte. Festschrift für Wilhelm Kreutz zum 70. Geburtstag, Ubstadt- Weiher 2021, S. 249–262.

Wikipedia (verschiedene Einträge)

http://www.freiburg-postkolonial.de/pdf/2010-Naber-Alldeutscher-Verband.pdf

Carl Peters (1856 – 1918) – Ehrgeiziger Kolonialist, der wegen Greueltaten unehrenhaft entlassen wurde (2024)

References

Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Madonna Wisozk

Last Updated:

Views: 5801

Rating: 4.8 / 5 (48 voted)

Reviews: 95% of readers found this page helpful

Author information

Name: Madonna Wisozk

Birthday: 2001-02-23

Address: 656 Gerhold Summit, Sidneyberg, FL 78179-2512

Phone: +6742282696652

Job: Customer Banking Liaison

Hobby: Flower arranging, Yo-yoing, Tai chi, Rowing, Macrame, Urban exploration, Knife making

Introduction: My name is Madonna Wisozk, I am a attractive, healthy, thoughtful, faithful, open, vivacious, zany person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.